Von Krisen

Krisen werden von den Linken geliebt. Man kann sie analysieren, Bücher darüber verlegen, akademische Karrieren auf ihnen gründen – aber was, wenn die Katastrophe im eigenen Haus eintritt, so Mitte November vergangenen Jahres, als unsere Auslieferung, die Sozialistische Verlagsauslieferung als 68er-Gründung, nach über 50 Jahren Konkurs anmeldete und 40 linke Verlage in die Krise stürzte…

Wer von Krisen fasziniert ist, sollte auch mit ihnen umgehen können. So kam es dann auch. In erfreulich unkomplizierten, zielorientierten Gesprächen – teils unter Moderation des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels – wurden Lösungen gefunden: Die Buchhandlungen wurden gebeten auf ein Sonderkonto zu überweisen, damit die noch offenen Beträge aus den Buchverkäufen nicht auf Nimmerwiedersehen in der Konkursmasse untergingen; dieses Konto wurde von einer Konkursverwalterin eingerichtet. Unsere neue Auslieferung, die Werkstatt in Rastede, nahm einen Großteil der betroffenen Verlage auf und engagierte sich stark bei der nun folgenden logistischen Mammutaufgabe: 25 Sattelschlepperzüge machten sich auf aus dem Südhessischen in die norddeutsche Tiefebene.

Das Umfeld nicht nur des Schmetterling Verlages reagierte stark solidarisch auf die Nöte der Verlage, und diese kamen durch den Winter, auch wenn durch die Insolvenz viel Kollateralschaden entstand: Druckaufträge wurden storniert, Produktionen verschoben, zusätzliche Kosten mussten geschultert werden, das alles bei leeren Kassen, denn durch die SoVa-Insolvenz fehlt den Verlagen monatelang das Geld aus den Buchhandelsumsätzen von einem Quartal, teils bis heute!

Zwar konnte die Insolvenzverwalterin im April erste Teilbeträge vom Sonderkonto auszahlen, ohne Schaden kommt aber kein Verlag davon. Dennoch kann die Frage gestellt werden, warum im November von dem Geschäftsführer der SoVa überhaupt überstürzt Konkursantrag gestellt wurde. Zwar war allgemein der Buchhandelsumsatz 2022 der Verlage und somit auch der Auslieferung schwach, wohl eine Folge des Überfalls Russlands auf die Ukraine, die zu einer gewissen Schockstarre bei einigen ZeitgenossInnen führte und auch zu einem ängstlichen Zusammenhalten des Geldes, falls die Heizungsrechnung doch so entsetzlich ausfallen würde. Wäre es von der Geschäftsführung der SoVa nicht besser gewesen, zunächst mit den Verlagen die Probleme offen zu besprechen statt einsame Entscheidungen zu fällen, die dann selbst die KollegInnen der SoVa überraschten? Am besten wäre es gewesen, wenn dort, spätestens ab einem bestimmten Lebensalter, die Geschäftsführungstätigkeit aus patriarchale in kollektive Hände übergeben worden wäre.

Mit der neuen VA Werkstatt kommt bei den Verlagen erfreulicherweise frischer Wind in die Segel, gemeinsame Vorschauen werden erstellt, regelmäßige Konferenzen finden statt, nicht nur um aktuelle Probleme zu lösen, sondern auch um neue Wege in die Zukunft zu finden. Das macht Mut und Laune, obwohl der Trümmerhaufen noch groß ist.


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